Kulturreise Palma

In den Osterferien, das ist Tradition, besuchen wir fast jedes Jahr eine andere Hauptstadt und klappern Galerien, Kirchen und „römische Reste“ ab. Da mein Mann einen, wie er es nennt, nach 20 Jahren kultureller Leidenszeit einen „erholsamen“ Urlaub ohne Bild- und Altarbetrachtungen einforderte, wollten wir die Feiertage geruhsam an der Playa de Palma verbringen. Da, sagte er mir, ist nichts mit Kultur. Mallorca, so dozierte er, sei im Frühjahr zwar eine Insel der Ruhe, doch gerade im Südwesten das ganze Jahr Saison und die Ferienwohnung preiswerter als in den Sommermonaten. Und ganz bestimmt kein Museum zu Fuß erreichbar. Also: buchen, abfliegen und nichts weiter tun, als mit einem Buch in der Sonne zu liegen.

Ich hatte die besten Vorsätze, die Seele baumeln zu lassen. Wirklich. Vier Kilo Krimis im Gepäck, aber keinen Kulturführer über Mallorca. Als ich kurz vor der Landung in Palma de Mallorca die riesige Kathedrale von oben sah, lösten sich meine Versprechen gegenüber meiner besseren Hälfte schnell in Luft auf. Na, was für eine imposante Erscheinung sich da offenbarte. „Von der Playa de Palma bis in die Hauptstadt kann es so weit doch nicht sein“, überlegte ich laut.

Es kam, wie es kommen musste. Nach unserem ersten, zugegebenermaßen ruhigen Tag und Abend in El Arenal, mieteten wir dann doch einen Kleinwagen und machten uns in die Innenstadt auf. Wo ich dann eine deutsche Buchhandlung mit einem Reiseführer ansteuerte. Und las, was Palma de Mallorca alles zu bieten hat. Klar, die Kathedrale „La Seu“ ist fast für jeden Touristen erste Anlaufstelle. Von außen sah dieser Sakralbau schon beeindruckend aus, aber von innen sind die Dimensionen gigantisch. Zumal die Fensterrose aus dem 14. Jahrhundert eine der größten der Welt ist, was den gotischen Kirchenbau betrifft.

Gleich nebenan liegt der Königspalast, der Palacio de la Almudaina. Über die große Avenida de Antoni Maura, die Placa Reina und den „Borne“ mit seinen vielen zum Teil exklusiven Geschäften machten wir Rast im „Café Bosch“ am Placa del Rei“ bei einem Café con Leche, einem Milchkaffee, und einer Ensaimada, einem dieser luftigen Gebäckstücke  mit Schweineschmalz, die auf der Zunge zergehen.

Wir hätten fast die arabischen Bäder vergessen, die „Banys Arabs“, die aus dem 10. Jahrhundert stammen und eine der wenigen Bauwerke arabischer Architektur auf Mallorca repräsentieren, die noch gut erhalten sind. Alte schöne Hausfassaden, skurile Figuren, wunderschöne Balkonverzierungen: Wer durch Palma schlendert, hat die Nase oft genug oben, um die beeindruckenden Häuser in der Altstadt bis zum Giebel betrachten zu können.

Ich verschwieg meinem Mann, wie viele Kirchen es in Palma sonst noch gibt und lotste ihn an einem sonnigen Mittwoch ins Museum für Zeitgenössische Kunst. Über den Hauptplatz, den Plaza Major, ein Stück die Straße San Miquel runter, dann links: Das „Museu Art Espanyol Contemporani“ verfügt über eine kleine Sammlung mit Werken spanischer Künstler. Picasso, Miró, Dali: Ich schwelgte in Erinnerungen an vergangene Studienzeiten und die Vorlesungen zur Bildbetrachtung mit unserem Professor Waldmann. Eintritt muss man hier nicht bezahlen. Anders im Museum „Es Baluard“, aber da musste ich am Nachmittag alleine hin, da mein Mann seinen erholsamen Urlaub einforderte. Die ehemalige Handelsbörse Palmas, die Lonja, besuchte ich am nächsten Tag ganz solo. Ebenso weitere kleine Galerien in den ebenso kleinen Gassen der Inselhauptstadt.

Eines hatte der Kulturführer uns verschwiegen. Hätten wir davon nicht zufällig erfahren, als sich ein älteres Ehepaar darüber am Nachbartisch unterhielt, dann hätten wir sie verpasst, die Osterprozession in der Stadt. Ob Manacor, Inca, Sa Pobla, Palma: Die so genannten Bruderschaften machen sich an verschiedenen Tagen der „semana santa“, der Heiligen Woche, auf den Weg durch die Gassen und trommeln und musizieren in ihren Mänteln mit den hohen spitzen Kapuzen. Das gigantische Spektakel gefiel selbst meinem Mann, doch von einem Vortrag über diese beeindruckende Inszenierung, die bis ins 16. Jahrhundert zurück reicht, wollte er nichts wissen.

Den Ostersamstag verbrachten wir im Auto und machten Abstecher in den Norden nach Pollensa. Wir fuhren quer durch das Inselinnere, denn den kurvigen und zeitaufwändigen Weg durch das Tramuntana-Gebirge wollten wir dann doch nicht antreten. Weil der Ostersonntag blauen Himmel und rund 20 Grad versprach, genossen wir einen Tag am Es-Trenc-Strand. Für FKK war es etwas zu kalt, aber ich hatte eines meiner vier Kilo Krimi im Gepäck. Der Sand war warm, die Thermoskasse mit Kaffee gefüllt. „So hatte ich mir diesen Urlaub eigentlich vorgestellt.“ Sagte mein Mann.

Im Herbst, so überlegte ich, könnte man ja noch für ein paar Tage wiederkommen. Mein Mann will dann vorher den Reiseführer wälzen. Und ein Örtchen auf Mallorca ganz ohne Kultur suchen. Nach allem, was ich gesehen habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass er da so schnell fündig wird.